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AVIVA-BERLIN.de im Mai 2024 - Beitrag vom 12.07.2018


Die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung verlieh erstmalig den Preis für lesbische* Sichtbarkeit
Ina Rosenthal

Im Rahmen eines feierlichen Festaktes am 2. Juli 2018 im SchwuZ wurden die Nominierten des 1. Preises für lesbische Sichtbarkeit 2018 in Berlin bekannt gegeben. Es sind: die Autorin und Pädagogin Dr. Ilse Kokula, die Sozialpädagogin, DJane und Produzentin İpek İpekcioğlu, und die Sängerin und Kabarettistin Sigrid Grajek.




Es war ein bewegender und emotionaler Abend. Alle Gäst*innen in dem bis auf die letzten Sitzplätze ausgebuchten Saal wurden von Justizsenator Dirk Behrendt mit einer respektvollen Rede begrüßt. Er betonte ausdrücklich, wie wichtig nicht nur die lesbische Sichtbarkeit in Berlin sei, sondern auch die Solidarität der LSBTI* Community untereinander. Und dass lesbisches Leben zu Geschichte und Gegenwart der Stadt Berlin gehöre, was bislang nicht ausreichend gewürdigt worden sei.

Den ursprünglichen Anstoß zu diesem Preis gab die Abgeordnete Anja Kofbinger (Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin und stellvertretende Vorsitzende der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen sowie Sprecherin für Frauen- und Queerpolitik.)

Konzipiert wurde er von der Landesstelle für Gleichbehandlung - gegen Diskriminierung LADS sowie von der Journalistin und Fundraiserin Stephanie Kuhnen und der Juristin und Aktivistin Tatjana Meyer:

"Für mich war es nicht nur eine große Ehre, sondern hat auch riesig viel Spaß gemacht, das Konzept für den Preis zu entwickeln. Kreativ sein zu dürfen in einem Bereich, der politisch so wichtig und zugleich eine solche Herzensangelegenheit ist, ist großartig", berichtet Tatjana Meyer. "Die einzige Herausforderung war der straffe Zeitplan, der uns die eine oder andere Nachtschicht am Rechner abverlangt hat - aber inhaltlich waren alle Beteiligten (wir beide und die LADS) von Anfang an auf einer Wellenlänge. Und dass der Preis nun auch in der Realität so gut angenommen wurde, wie wir uns das gewünscht haben, macht mich sehr stolz und glücklich. Lesbische Sichtbarkeit rockt!"



Die Ausschreibung richtete sich ausdrücklich nicht nur an geborene lesbische Frauen, sondern auch Trans*Frauen. Ausgelobt werden soll er alle zwei Jahre. Bei der Berufung der Jury wurde viel Wert auf eine möglichst breite Diversität der Mitglieder geachtet. Das Jurymitglied Sam Lesniewicz sagt dazu: "Wenn wir Menschen endlich verstehen, dass Diversity nicht die ´Auf- oder Abwertung der Einzelteile von Unterschiedlichkeiten´ bedeutet, sondern die wunderbare Fusion der ´Ressource – Vielfalt´, dann sind wir meines Erachtens endlich in der Lage, Chancengleichheit zu leben und nicht nur theoretisch zu analysieren."

Einfach hatten es die fünf Preisrichter*innen nicht, als sie aus über 30 Bewerbungen auswählen mussten.

Jurorin Ute Hiller (Geschäftsführerin Berliner Aids-Hilfe e.V., Vorstand des Paritätischen Landesverbandes Berlin) betonte: "Im Angesicht der Fülle und Vielfalt der Nominierungen gab es aus meiner Sicht einen sehr wertschätzenden und achtsamen Diskurs, der am Ende die drei wirklich herausragenden Nominierungen als Ergebnis hatte."

Alle Nominierten wurden von drei der insgesamt fünf Jurymitgliedern (Miss Sam Lesniewicz, Stephanie Kuhnen, Ute Hiller, Ria Klug, Ina Rosenthal) durch eine Laudatio vorgestellt und geehrt:
Stephanie Kuhnen hielt eine kraftvolle und begeisternde Rede zu dem Engagement und Lebenswerk von Dr. Ilse Kokula. Sie hob hervor, dass die gesamten LSBTI* Communities auf den Schultern von Ilse stehen, denn sie war mit ihrem jahrzehntelangen Engagement immer wieder Vorbild und Initialzünderin für viele heute selbstverständliche Angebote der LSBTI* Community.

Die 74 jährige Pädagogin und Autorin Ilse Kokula, die vor allen Dingen in den 1980er Jahren durch ihre Bücher bekannt wurde, (darunter: "Weibliche Homosexualität um 1900 in zeitgenössischen Dokumenten", "Jahre des Glücks, Jahre des Leids. Gespräche mit älteren lesbischen Frauen" und "Lila Nächte: die Damenclubs in Berlin der zwanziger Jahre") sagte zu Stephanie Kuhnen in einem Telefonat vor der Veranstaltung: "Ich wünsche mir ja, dass die junge Türkin Ipek den Preis bekommt. Gerade jetzt müssen wir die stärken, die angegriffen werden."

Nicht unberührt ließ eine/n daher auch die Laudatio von Sam Lesniewicz für die Sozialpädagogin, DJane und Produzentin İpek İpekcioğlu (DJane IpeK). Sie betonte welch großartige künstlerische und musikalische Leistung İpek İpekcioğlu für die Community erbracht hat und immer wieder erbringt. Aber auch die Wirksamkeit und die Wichtigkeit ihre Workshops und Seminare wurden hervorgehoben.

Als lesbische Frau mit türkischen Wurzeln schlägt İpek İpekcioğlu nicht nur Brücken zwischen den Kulturen, sondern auch innerhalb dieser und fungiert so als Rollenvorbild für viele Menschen.

Sichtbar begeistert war auch Ute Hiller, die ihre Laudatio auf die dritte nominierte, die Sängerin und Kabarettistin Sigrid Grajek hielt. Sie war viele Jahre Teil des Ensembles des Kabaretts Berliner Brett´l und versteht es, mit ihren Liedern, und der Comedy Figur Coco Lores die unterschiedlichsten Menschen zu begeistern. Bekannt ist sie durch ihre Interpretationen der Lieder von Claire Waldoff, die sie auch in Altersheimen zum Besten gibt und dadurch das Thema "lesbische Frauen während der NS-Zeit" auch an erstmal ungewöhnlichen Orten sichtbar macht.

Der Preis wurde mit 3.000 € dotiert, allerdings empfahl die Jury, diesen auf alle Nominierten aufzuteilen um keine Hierarchiesicherung der Leistungen vorzunehmen. Dieser Empfehlung ist der Senat gerne nachgekommen, sodass alle drei mit einem Betrag von 1.000 € und einer Urkunde ausgezeichnet wurden. Der tatsächliche Preis konnte, laut Staatssekretärin für Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, Margit Gottstein, jedoch nur einmal vergeben werden, dieser wurde im Nachhinein von Stephanie Kuhnen an Dr. Ilse Kokula übergeben, die aus gesundheitlichen Gründen nicht persönlich an der Preisverleihung teilnehmen konnte.

Unter großem Applaus und Standing Ovations wurden die Urkunden und Glückwünsche von Margit Gottstein überreicht.



Auch wenn es im Vorfeld einige wenige kritische Stimmen aus der Presse gab und von vereinzelten Aktivisten der Schwulen Community, war der Abend ein voller Erfolg und keineswegs eine Würdigung der privaten lesbischen Liebe, sondern vielmehr eine längst überfällige Ehrung lesbischer Kultur, die die Hauptstadt seit vielen Jahrzehnten mit prägt und gestaltet.

Mehr Infos zu den Preisträgerinnen, der Jury und dem Berliner Preis für Lesbische* Sichtbarkeit:

www.berlin.de

portal.dnb.de

www.sigridgrajek.de

www.djipek.com



Fotos: Ina Rosenthal und Sam Lesniewicz/Miss Sam Music Agency


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Beitrag vom 12.07.2018

AVIVA-Redaktion